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Post Scriptum: Außerirdische als interdisziplinäre Herausforderung

"UFOs und Außerirdische" sind ein äußerst umstrittener Themenkomplex, an dem sich mittlerweile ganze Generationen von Wissenschaftlern und Amateurforschern abgearbeitet haben. Während UFO-Forscher nicht müde werden, "eindeutige Beweise" für die Existenz eines unbekannten Phänomens vorzulegen, stellen Skeptiker die Existenz derartiger Beweise notorisch in Frage. Beide Seiten eint ein szientistisches Wissenschaftsverständnis, das davon ausgeht, dass uns wissenschaftliche Fakten objektiv gegenübertreten und nur genau genug studiert werden müssen, um Klarheit über die Natur der Dinge zu erlangen. Entsprechend groß ist der Frust, dass die jeweils andere Seite die Existenz bzw. Nicht-Existenz dieser Fakten nicht zur Kenntnis nehmen möchte.

Demgegenüber soll hier die These vertreten werden, dass Wissenschaft ein von historischen, kulturellen und weltanschaulichen Vorannahmen abhängiger Prozess ist, der sogenannte Fakten erst erzeugt. So hat z.B. der griechische Philosoph Aristarchos von Samos aus der Beobachtung der Planetenbahnen darauf geschlossen, dass die Erde um die Sonne kreist. Da zu seiner Zeit aber keine Nachfrage nach alternativen Weltmodellen bestand, verhallten seine Überlegungen ungehört. Ein jüngeres Beispiel für die Kulturabhängigkeit wissenschaftlicher Beobachtungen stammt aus dem 19. Jahrhundert, als zahlreiche Astronomen Kanäle auf dem Mars beobachtet haben, die sie für das Werk einer außerirdischen Zivilisation hielten. Diese Beobachtungen entsprangen dem von der erwachenden Science-Fiction-Literatur geprägten Zeitgeist. Dank moderner Teleskope und Raumsonden wissen wir heute, dass derartige Kanäle nie existiert haben.

Fakten sind also nicht objektiv in der Welt vorhanden, sondern werden immer erst von einem Beobachter konstruiert. Wissenschaft erscheint aus dieser Perspektive nicht als Prozess, der objektive Wahrheiten zu Tage fördert, sondern als ein kontinuierliches Ausbessern von Irrtümern (vgl. Kapitel 3 des Buches). Dies gilt nicht zuletzt für einen so schillernden Gegenstand wie außerirdische Intelligenz, der sich - wenn man denn den potenziellen Außerirdischen eine eigene Intelligenz und damit die Möglichkeit des Täuschens und Vortäuschens zugesteht - einer kontrollierten Beobachtung entzieht. Aus diesem Grund ist die extraterrestrische Hypothese auch nicht falsifizierbar (was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie nicht endgültig beweisbar ist), aber sie kann durchaus Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung sein. Um potenzielle Hinweise auf die Existenz einer außerirdischen Intelligenz bewerten zu können, sollten möglichst viele Disziplinen zu Rate gezogen werden:

Naturwissenschaft

Soziologie

Kulturtheorie

Kosmologie

Erkenntnistheorie

Stützende Argumente

(1) SETI, SETA: Versuche, extraterrestrische Artefakte von Hintergrundrauschen zu unterscheiden.

(3) Skeptische Argumente sind gegenüber der ETH voreingenommen, um eine orthodoxe Ordnung oder ein orthodoxes Weltbild zu bewahren.

(5) Der Mensch als weltoffenes Wesen ist auf kulturelle Feststellungen angewiesen. Außerirdische konfrontieren ihn mit einer radikalen Kontingenzerfahrung und werden daher zum Tabu.

(7) Anzahl der bewohnbaren Exoplaneten. Für Entwicklung von Zivilisationen verfügbare Zeitskalen.

(9) Alles Wissen basiert auf Hypothesen. Die ETH ist eine Hypothese. ("Anything goes.")

Skeptische Argumente

(2) UFO-Forschung: Versuche, Beobachtungen mit bewährten Wirklichkeitsmodellen abzugleichen.

(4) Die ETH ist Ausdruck eines heterodoxen Weltbildes, das darauf abzielt, die herrschende Ordnung in Frage zu stellen.

(6) Außerirdische als moderner Mythos: In Dingen wie UFOs manifestieren sich spirituelle Sehnsüchte einer entzauberten Welt

(8) Distanzen der interstellaren Raumfahrt. Von Zivilisationen zu überlebende Zeitskalen.

(10) Die ETH ist nicht falsifizierbar. Das Sparsamkeitsprinzip rät dazu, der ETH konventionelle Erklärungen vorzuziehen.

Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Spalten für weitere Forschungsfelder, wie z.B. Psychologie oder Biologie, könnten noch ergänzt werden. Nicht berücksichtigt wurde außerdem das handlungspraktische Argument, dass außerirdische Intelligenzen, wenn sie denn existieren würden, schon längst zu uns Kontakt aufgenommen hätten und das Gegenargument, dass Außerirdische uns möglicherweise so fremd sind, dass wir sie weder verstehen noch wahrnehmen könnten. Die meisten existierenden Forschungsarbeiten beschränken sich bislang auf eines der Felder 1, 2, 4 oder 6 - unter gelegentlicher Berücksichtigung von Argumenten der Felder 7-10. Wünschenswert wäre hingegen eine Berücksichtigung sämtlicher Felder. Zwar interessieren sich die meisten Studien in den Feldern 4 und 6 nicht für ontologische Referenten (d.h. für Außerirdische), sondern für kulturelle Phänomene. Allerdings können die Argumente der oberen Zeile, insbesondere diejenigen aus den Feldern 3 und 5, einen blinden Fleck derartiger Untersuchungen aufzeigen: Wer bestimmte kulturelle Phänomene wie Verschwörungstheorien (Außerirdische kooperieren mit der US-Regierung) oder neokreationistisches Gedankengut (die Menschheitsgeschichte wird von Außerirdischen gesteuert) dekonstruiert, sollte nicht übersehen, dass auch der eigene "wissenschaftliche" Standpunkt nicht frei von weltanschaulichen Vorannahmen ist.

Den ein oder anderen Leser könnte die Einordnung der Ufologie in die Reihe skeptischer Argumente irritieren. Schließlich möchten einige Vertreter der UFO-Forschung die extraterrestrische Hypothese mit ihrer Arbeit stützen. Die Tabelle interessiert sich allerdings nicht für persönliche Intentionen einzelner Forscher, sondern für die logische Struktur der Argumente. Und die UFO-Forschung verfolgt ein ziemlich konservatives Programm. Um etwas zu identifizieren, muss man es mit etwas bereits Bekanntem vergleichen.
Es ist unmöglich, auf diese Art und Weise etwas Neues zu lernen: Gelingt eine Identifizierung, wird bereits bekanntes Wissen bestätigt; bleibt etwas unidentifiziert, endet der Forschungsprozess. Um die extraterrestrische Hypothese für die Wissenschaft fruchtbar zu machen, muss diese als mögliche Denkkategorie zunächst einmal zugelassen werden. Von einem solchen Paradigmenwechsel würden nicht zuletzt die Kulturwissenschaften profitieren. Denn das Unbehagen, welches wir bei der gedanklichen Konfrontation mit dem radikal Fremden empfinden, erlaubt interessante Rückschlüsse auf unsere kulturelle und anthropologische Verfasstheit.

Doch auch die naturwissenschaftliche Forschung hat in den vergangenen Jahrzehnten bemerkenswerte Daten und Beobachtungen zu Tage gefördert, wie z.B. das berühmte Wow!-Signal, Radarechos und Fotografien atmosphärischer Leuchterscheinungen. Eine reflexive
Interpretation dieser Messdaten kann nur fächerübergreifend und unter Berücksichtigung von Argumenten der Felder 3-10 gelingen. In einer Wissenschaftskultur, in der reine Fachleute ohne ausgewiesene interdisziplinäre Reflexionskompetenz über Forschungsgelder und Publikations-Chancen entscheiden, lässt sich ein angemessener Diskurs über die Thematik allerdings nur schwer in Gang setzen.

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